„Die unbekannte Nachbarin“ kommt aus Eritrea

17. November 2015

Wie lebt „frau“ in Eritrea? Wie lebt eine Eritrerin in Deutschland? Unter dem Titel „Die unbekannte Nachbarin“ lädt die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen regelmäßig zum Frühstück ein. Diesmal war Gedej Aron aus Eritrea zu Gast in Kissing.

1986 floh sie nach Deutschland aus Eritrea, dass damals eine Provinz Äthiopiens war. Seit den 60iger Jahren gab es einen blutigen Unabhängigkeitskampf, nachdem Eritrea in das damalige Äthiopische Kaiserreich unter Haile Selassie eingegliedert wurde. Dass ihre Entscheidung richtig gewesen war, zeigte auch ein kleines Schwarz-Weiß-Foto, das sie mitgebracht hatte. Es zeigte ihren Bruder, der im äthiopischen Gefängnis starb. Er war noch keine 30 Jahre alt.
Die ersten Jahre lebte Aron in Hessen, dort lernte sie auch ihren späteren Mann kennen, der ebenfalls aus Eritrea stammt, und seine Frau zur Veranstaltung nach Kissing begleitete. Das Paar hat drei Kinder, die alle in Deutschland studiert haben.
Die Rolle der Frau hat sich stark gewandelt: Früher waren die von den Eltern arrangierte Ehen die Regel. Das Heiratsalter der Mädchen war 15 Jahre. Es hätte keine Wasserversorgung in den Städten und Dörfern gegeben und die Frauen mussten das Wasser von den weitentfernten Brunnen holen. Die Hälfte der sechs Millionen Einwohnern sind Christen. Das Zusammenleben der verschiedenen Religionen ist ohne Probleme.
„Hagärä Erta“, wie Eritrea in Tigrinya (eine von neun! gleichberechtigten Nationalsprachen) genannt wird, löst unterschiedliche Reaktionen aus: Während die einen an den jahrzehntelangen Unabhängigkeitskrieg gegen das damals mit Moskau verbündete Äthiopien denken, haben andere eher die heute vor lebenslangen Wehr- und Bereitschaftsdienst Flüchtenden vor Augen. Vor Ort kann die Frage zurzeit nicht beantwortet werden. Denn obwohl Eritrea seit 1993 unabhängig ist, die Hauptstadt Asmara wegen des italienischen Baustils als „Rom Afrikas“ bezeichnet wird und das Land die schönsten Strände am roten Meer besitzt, warnt das Auswärtige Amt vor (touristischen) Reisen in die Region. Grund sind die andauernden Grenzkonflikte mit Dschibuti und vor allem Äthiopien. Diese führten schon mehrfach zu blutigen Kriegen. „Äthiopien hat nicht verwunden, dass es nun ein Binnenland ist und wir für die Nutzung unserer Häfen Geld wollen“, so Aron. Manche Zweifel blieben bei den Damen. Insbesondere die Antwort auf die Frage der Fluchtursachen: „Ist der Armeedienst wirklich vergleichbar mit dem westlicher Länder?“, wollte Katrin Freitag wissen.
Überzeugen konnte Frau Aron mit ihrem mitgebrachten Brot. Aus dem Korb mit Himbascha, „das jede Frau jeden Tag bäckt“, ein leicht süßes Gebäck mit Kardamonsamen, nahm jeder mehrere Stücke zum Kaffee. „Nach unserer Veranstaltung im Sommer mit Eija Dobiasch aus Finnland war das heute deutlich kontroverser. Mit der „unbekannten Nachbarin“ wollen wir Hemmschwellen abbauen. Und das ist uns auch heute wieder gelungen“, so die AsF-Vorsitzende Ilona Kraus zum Schluss.

Meine unbekannte Nachbarin

Bild: Gedej Aron (3.v.l.) aus Eritrea brachte zur Veranstaltung „Die unbekannte Nachbarin“ der sozialdemokratischen Frauen Himbascha und einen jungen Zuhörer mit. von links: Claudia Kögler, Vorsitzende Ilona Kraus und Katrin Freitag

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